Leistungskurs Musik 2006/08          am          Celtis-Gymnasium, Schweinfurt
Abitur 2004, Teilaufgabe 1

Bearbeitet von pingu    www.musiklk.de/2006/abi04_1.htm

 

Anmerkung des Kursleiters: Nur die "nötigsten" Stellen werden in allen Ausarbeitungen "korrigiert". 
Eventuell Fehlendes ist dem Lösungsvorschlag zu entnehmen. Dieser kann in der Aufgabe allerdings auch durch andere, sinnvolle Lösungsansätze ganz oder teilweise ersetzt sein.
rot = Zusatz des Kursleiters, rot kursiv = "unterringelt", rot, kursiv, durchgestrichen = "falsch".
Aufgabentext und Lösungsvorschlag (pdf): http://musby.de > GYM > Leistungskurs

 

Werk: 

John Wilbye (1574-1638), "Lady, your words do spite me"

Noten und Midi: http://www.oldmusicproject.com/madrigalia/wilbye.html (Sekunde höher)

 

Eigene Lösung:

1.) Das Madrigal ist in moderner Notation geschrieben, also in Noten und Notenschlüsseln, wie wir sie heute benutzen (außer der "Tenor-Schlüssel" als doppelter Violinschlüssel). Auch die Taktstriche sind neu für die Renaissance. Bis auf die letzten fünf Takte ist das Stück streng im 4/4 Takt notiert. Daneben befinden sich in dem Madrigal auch Legatobögen und Akzente, wie zum Beispiel in Takt 7.

2.1) Das Madrigal beginnt mit einem Quintsprung in Sopran 1 (Takt 1). Alle Stimmen setzen nacheinander damit ein, der Alt (Takt 2), der Tenor (Takt 3), der Bass (Takt 5) und der Sopran 2 (Takt 6). Zuletzt genannter wird jedoch anders als die Anderen weitergeführt. Nach dem Quintsprung kommt (zuerst im Sopran 1) eine Pause, die das Komma im Text unterstreichen und eine Pause sein könnte, bevor das Stück richtig beginnt. Sie könnte damit auch dem Wort "Lady" etwas mehr Nachdruck verleihen, um das Stück an die Lady persönlich zu adressieren. Das Stück geht auf der Quinte weiter. Der Sopran 1 bewegt sich dann nach unten und beendet den ersten Satz ( spite me ) auf dem d1, das tiefer ist als der Anfangston. Die anderen Stimmen bleiben mehr oder weniger auf einer Höhe nach dem Quintsprung. Die Anfangsmelodie wird also in den Takten 1 bis 10 durchimitiert.

Am Anfang des Abschnittes ist der Klang sehr dünn, da nur eine, beziehungsweise wenige, Stimmen singen. Bis zum Ende des Abschnittes entsteht aber ein voller Chorklang, denn alle Stimmen haben eingesetzt und singen gleichzeitig. Die Takte 2 bis 8 sind polyphon und alle Stimmen sind gleichberechtigt; Die Takte 9,10 und 11(Zählzeit 1) sind fast homophon, da alle Stimmen (Ausnahme: Sopran 2) den gleichen Rhythmus haben. Sie könnten da also den Sopran 2 begleiten. Der Satz "Lady, your words do spite me" ist bis dahin mindestens einmal von jeder Stimme wiederholt worden.

2.2) Im Takt 11 ist das c2 im Sopran 1 ein harmoniefremder Ton in G-Dur, welcher sich jedoch gleich wieder auflöst zum d2 hin (Takt 12, G-Dur). Der dann folgende Ton (e2) ist wieder harmoniefremd: die betonte Wechselnote passt nicht zu G-Dur, das auf der dritten Achtel in diesem Takt klingt. Auf Zählzeit "2und" verändern alle anderen Stimmen wieder ihre Töne zu einem C-Dur-Akkord. Das e2 passt wieder, geht dann aber wieder zum d1 zurück (kein harmoniefremder Ton). In Takt 14 auf Zählzeit 2 und 3 im Alt passt das d1 nicht in den A-Dur-Akkord. Es geht aber auf Zählzeit 4 wieder zum cis zurück, also zur Terz des Grundtons in diesem Takt. Wechselnote

3.1) Das Madrigal ist überwiegend polyphon in diesem Abschnitt. Abweichungen von der Polyphonie gibt es meistens wenn ein Satz oder Textabschnitt zu Ende ist, wie zum Beispiel in den Takten 34 folgende. Man sieht hier deutlich, dass die 3 mittleren Stimmen homophon sind, auf derselben Silbe aufhören und wieder gemeinsam mit dem neuen Satz anfangen.

In den Takten 41 und 42 sind 4 Stimmen homophon (Sopran 1 und 2, Tenor, Bass). Sopran 1 und Sopran 2 vertauschen darauf ihre Stimmhöhen (Sopran 1 geht runter, Sopran 2 geht hoch = Stimmkreuzung), aber der Rhythmus bleibt gleich. In Takt 43 werden die Stimmen wieder polyphon. Auch hier hat wieder ein neuer Satz angefangen.

In den Takten 52 bis 56 sind alle 5 Stimmen komplett homophon. Zwar bewegen sie sich in unterschiedliche Richtungen, aber sie haben exakt denselben Rhythmus und Text. Dies ist ebenfalls der Anfang eines neuen Satzes.

Man sieht, dass sich das Madrigal immer wieder am Ende von Sätzen verändert (polyphon-> homophon). Aber mit Beginn dieser Sätze fängt nicht gleichzeitig ein neuer Sinnabschnitt an. Deshalb denke ich, dass nicht textbezogene Gründe den kompositorischen Einsatz bedingen, sondern die Musik selber.

3.2) Die Akkorde in Takt 57 sind auf Zählzeit 1 G-Dur auf Zählzeit 6 D-Dur, in Takt 58 auf Zählzeit 1 e-Moll und beim zweiten Akkord h-Moll. Im Takt 59 befindet sich durchgehend ein C-Dur-Akkord, im Takt 60 zuerst ein G-Dur und dann ein D-Dur-Akkord. Im Takt 61 ist ein D-Dur-Akkord. Er ist unbestimmt lang und schließt das Stück ab.

In Takt 57 haben alle Stimmen den gleichen Rhythmus, sie sind also komplett homophon. Auf Zählzeit 4 verändert jede Stimme ihren Ton und auf Zählzeit 6 noch einmal. In den darauffolgenden Takten hat jede Stimme nur 2 Töne (Ausnahme Takt 59, Sopran 1 und Takt 60, Sopran 2), im letzten Takt nur noch einen. Bei dying bewegen sich alle 5 Stimmen abwärts, bei Singing bleiben sie auf dem gleichen Ton oder steigen aufwärts. Bei and dying ist die Stimmführung in allen Stimmen verschieden.

3.3) Die letzten 5 Takte haben eine andere Taktart im Gegensatz zum Rest des Madrigals (genauer 4/4-Takt bis dahin). Es gibt am Schluss unbestimmt lange Notenwerte, während sonst immer alle Notenwerte genau festgelegt sind. Die letzten Takte sind sehr langsam, im Gegensatz zum Rest des Madrigals, das insgesamt viel schneller ist. Der Text ist abschließend zum ganzen Stück. Er spiegelt wieder, wie das kompositorische Ich einen Schlussstrich unter die Geschichte mit seiner Lady zieht. Auch sind die letzten 5 Takte komplett homophon. Alle Stimmen haben zwar teilweise eine etwas unterschiedliche Melodieführung, aber der Text und die Länge der Notenwerte sind genau identisch. Im Ganzen hat die Melodie fast keine Sprünge, fällt in allen Stimmen und ist zumindest in den untersten Stimmen am Tiefpunkt im letzten Teil angelangt.

4.1) Ein Madrigal ist ein mehrstimmiger Gesang, meist ohne Begleitung, bei dem der Text überwiegend durch die Musik ausgedrückt wird. Es ist das weltliche Gegenstück zur geistlichen Mottete, hat also demnach auch weltliche Texte, die meistens nicht in Latein sind, sondern in einer modernen Sprache, wie hier in Englisch. Man findet oft einen Wechsel von homophonen und polyphonen Teilen.

4.2) In den italienischen Madrigalen war der hohe Textausdruck sehr wichtig, so wie er es hier auch ist (vor allem in den letzten 5 Takten, die besonders die Stimmung des kompositorischen Ichs ausdrücken). Bei den italienischen Madrigalen waren besonders Liebespoesien häufig vorhanden. Hier geht es ebenfalls um Liebe, aber mehr um Abschied. Dieses Madrigal von Wilbye ist harmonisch und melodisch nicht so aufwändig wie ein italienisches Madrigal. Es ist in vielen Teilen schlicht in der Melodie und einfach im Text. Es zeigt die ursprüngliche Form eines Madrigals, auch besonders die Mehrstimmigkeit ohne Instrumente.

5.1) Der Text ist etwas unpassend gewählt für die gesamte Geschichte von Alices´s Adventures in Wonderland . Sätze wie Off with her head! und das Todesurteil für die scheinbar unschuldige Maus am Ende passen eigentlich nicht in das Kinderbuch. Es ist aber denkbar, dass der Komponist hier zwei völlig unterschiedliche Geschichten zusammengeführt hat, um die Geschichte interessanter zu machen (Alices Geschichte und der Mordprozess).

In den Anmerkungen ist zu lesen, dass hier zwei verschiedene Textauszüge aus dem Buch zusammengeführt wurden zu einer Geschichte (erster Teil und letzter Teil des Buches).

Die eingebauten Wortspiele wirken etwas belanglos, aber doch interessant. Sie fangen mit dem zuletzt genannten Wort an und enden durch Reime bei dem Wort, welches dann als nächstes genannt wird. Einen bestimmten Inhalt enthalten diese Passagen aber nicht.

5.2) Das Stück beginnt mit einem einstimmigen, in der Melodie fallenden und lauten Ausruf Off with her head . Danach setzen die anderen Sänger ein. Damit wird dem Urteil stark Nachdruck verliehen.

Der nächste Satz ( Mine is a long and a sad tale. ) wird in einem sehr langen Melisma gesungen. Der Satz wird in zwei Teile aufgeteilt ( Mine is a long und and a sad tale ) und mehrere Stimmen singen in das Melisma zwischen den beiden Teilen mit Wortspielen hinein.

Es singen immer mehrere Stimmen gleichzeitig außer bei dem Ausruf Off with her head und dem Wort death in Zeile 26. Der Gesang hört hier ganz plötzlich auf, so dass nur noch die eine flüsternde Stimme zu hören ist.

5.3) Das Zusammenbringen von zwei unterschiedlichen Texten weist auf die Komik hin. Es ist sehr ungewöhnlich zwei so unterschiedliche Geschichten in einem Musikstück zu zeigen, aber es macht es interessanter.

Durch die Wortspiele und die Reime werden manche Worte vom Sinn sehr abgeändert, wie zum Beispiel in den Zeilen 2 und 3: tail = Schwanz; tale = Geschichte. So können kleine Veränderungen an den Worten ganz anders ausgelegt werden.

Außerdem findet man in dem Stück starke Kontraste in der Ausarbeitung durch die Sänger, das heißt teilweise singen die Sänger gleichzeitig den gleichen Text, und teilweise singen die Sänger gleichzeitig einen anderen Text. Es gibt auch Unterschiede in der Anzahl der Sänger, zum Beispiel am Anfang und in der Mitte des Stückes (entsprechend: ein Sänger, mehrere Sänger).

Offizieller Lösungsvorschlag:

Aufgabe 2.1 hätte ich etwas genauer beantworten müssen. So hätte ich den Verlauf der Stimmen genauer beschreiben müssen (rasche Bewegung in hoher Lage, Abfallen der Töne über eine Oktave mit Dehnung; besondere Betonung des Wortes spite durch absinkende Tonfolge).

Fachbegriffe wie Soggetto und Kontrapunkt fehlen in meiner Ausarbeitung teilweise (Aufgabe 2.1).

Bei Aufgabe 3.2 hätte ich erwähnen müssen, dass es sich bei G-Dur um eine erweiterte Kadenz handelt.

Aufgabe 4.2 hätte von mir genauer bearbeitet werden müssen. Genauere Details wie zum Beispiel das Fehlen von Ausdeutungen von Schlüsselwörtern und der Mangel an harmonischen Raffinessen, wie etwa illustrierte Koloraturen fehlen in meiner Bearbeitung.

Insgesamt hätte ich mehr Fachbegriffe benutzen müssen und einige Aufgaben etwas genauer bearbeiten müssen (siehe angeführte Aufgaben).

Anmerkungen:

Für mich war Aufgabe 5 etwas schwer zu lösen, da ich die Geschichte Alices Abenteuer im Wunderland nicht kannte, so dass ich mich erst über die Handlung informieren musste.

 

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