Leistungskurs Musik 2003/05         am         Celtis-Gymnasium, Schweinfurt
Zusammenfassung ausgewählter Inhalte
der Kursstunde am Montag, den 24.11.2003 von 11.25 bis 12.55 Uhr.
Protokollführerin: Judith Reuß              www.musiklk.de/2003/70penderecki.htm

Thema/Themen der Kursstunde:

Szenen aus der Lukaspassion von Krzysztof Penderecki

Ausgewählte Inhalte:

Da am gestrigen Sonntag, 23. November, vor siebzig Jahren einer der bedeutendsten lebenden Komponisten, Krzysztof Penderecki, geboren wurde, hat unser LK-Lehrer Herr Kerzel die Gelegenheit genutzt, uns eines seiner bedeutendsten Werke, die Lukaspassion, vorzustellen:

Allgemeine Definition einer Passion:
Eine "Passion" erzählt die Leidensgeschichte Jesu und ist von einem der vier Evangelisten (Lukas, Matthäus, Markus und Johannes) verfasst.
Später haben Komponisten die Evangeliumstexte zur Hand genommen, diese mit musikalischen Mitteln gestaltet. Jo-hann Sebastian Bach ist heute der wohl bekannteste Komponist von Passionen (Johannespassion und Matthäuspassion).

Lukaspassion von Krzysztof Penderecki:
Aufgrund der Tatsache, dass die "Passio et mors domini nostri Jesu Christi secundum Lucam" ein Werk der zeitgenössischen Musik ist, muss sich ihr Komponist, Krzysztof Penderecki, den Vergleich mit Bach gefallen lassen, da ein Musiker, sobald er den Begriff Passion hört, an das "Monument" Bach denkt.
Deshalb versuchen die Komponisten natürlich, sich von diesem abzuheben. Der im Jahr 1933 geborene Pole strebt dies in seiner Lukaspassion, die 1966 uraufgeführt wurde, zum einen mit der Wahl des lateinischen Textes an, was aufgrund des 2.Vatikanischen Konzils, welches 1963 für die Liturgie die Landessprache als verbindlich beschlossen hatte, eine besondere Auffälligkeit darstellt. Neben der Absicht, sich mit der lateinischen Sprache von Bach, dessen Passionen auf Deutsch geschrieben sind, abzuheben, wollte Penderecki mit seiner Passion natürlich auch Erfolg erlangen, was mit seiner Muttersprache, dem Polnischen, wohl kaum umfassend möglich gewesen wäre. Zudem erreicht das Lateinische eine gewisse Distanz zum Thema und damit eine Objektivierung des Textes, womit der emotionale Aspekt eher in den Hintergrund gerückt wird.
An Pendereckis Lukaspassion lassen sich aber auch Parallelen zu Bachs Passionen feststellen: z.B. erweitern beide die biblischen Evangelien. Allerdings nimmt Bach hierbei von zeitgenössischen Dichtern geschriebene Texte zur Hand, Penderecki fügt ausschließlich liturgische Texte (Psalmen und Hymnen) zu. Außerdem bleibt zu erwähnen, dass beide ihre Passionen mehrchörig und mit einem zusätzlichen Knabenchor besetzen.

1. Hörbeispiel: 4. Szene der Lukaspassion Pendereckis:
Den lateinischen Text "Domine, quis habitabit in tabernaculo tuo, aut quis requiescet in monte sancto tuo? In pace dor-miam, et caro mea requiescet in spe." leitet Penderecki mit einer Frauensingstimme ein, welche zunächst nur einzelne Vokale auf nur einem einzigen Ton singt, der von den Flöten so geschickt übernommen wird, dass der Unterschied zwischen Gesang- und Instrumentalstimme nur schwer hörbar wird. Im Folgenden setzen dann weitere Flöten auf mehreren benachbarten Tönen ein, was zu einem dissonanten Klang führt, der als Cluster (=Tontraube) bezeichnet wird. Zudem kommt später ein Kontrabass hinzu. Da nahezu nur noch punktartige, isolierte Töne wahrzunehmen sind, nimmt das Werk dramatischen Charakter an, der sich allmählich immer mehr steigert und schließlich mit einem dramatischen Schrei endet. Erst an dieser Stelle wird mit dem eigentlichen Text ("Domine") begonnen, wobei die Singstimme bei der Vertonung dieses Wortes in der Tonhöhe um weniger als einen Halbton, nämlich um nur einen Viertelton fällt!

2. Hörbeispiel: 5. Szene: Die Gefangennahme:
Diese Szene wird vom Orchester eingeleitet. Der Chor erscheint anschließend mehr sprechend als singend. Entsetzt zeigt die Szene verstummende Glissandi, welchen der Schreckensschrei über den Verrat folgt. Letztlich schließt sich ein Klagegesang, auf "Jerusalem" gesungen, an. Außerdem sind erneut die häufig auftretenden Cluster als auffällig zu bemerken.

3. Hörbeispiel: 10. Szene: Die Verspottung vor dem Hohenpriester:
Eigentlich lässt sich in dieser Szene zum ersten Mal eine sehr bildhafte Vertonung feststellen. Krzysztof Penderecki komponierte sie auf recht dramatische Weise, was ihm aber auch den Vorwurf der Vordergründigkeit eingebracht hat. Der Chor soll hier möglichst schnelle und hohe Töne singen, welchen wiederum Glissandi folgen. Die Dramatik der Szene wird ein weiteres Mal in den Klagegesang ("Jerusalem") übergeführt, der aber an dieser Stelle, im Gegensatz zur Szene der Gefangennahme, bei der er vom Chor ausgeführt ist, solistisch gesungen wird.

4. Hörbeispiel: 13. Szene: Jesus vor Pilatus:
Der Chor stellt hier das Volk als Ankläger Jesu dar. Die aufgeregten Chöre werden als Turbae bzw. Turbachöre (wie bei Bach) bezeichnet. Mit dem "Leitmotiv" "Domine" verlässt der Chor kurzfristig die Anklägerrolle.

Zuletzt muss noch gesagt werden, dass die Notation spezielle Zeichen verwendet, die in einer Legende erklärt werden, z.B. der höchstmögliche Ton, eine schnellstmögliche Wiederholung oder Vierteltonrückungen. Mehrere dieser graphischen Symbole sind Standard geworden.

CDs, Materialien, Bemerkungen:

- von Herrn Kerzel ausgeteilte Vorlage des lateinischen Textes zu den behandelten Szenen aus Pendereckis Lukaspassion 
- dtv-Atlas S. 139; S. 559
Hörbeispiele bei Naxos

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