Leistungskurs Musik 2003/05         am         Celtis-Gymnasium, Schweinfurt
Zusammenfassung ausgewählter Inhalte
der Kursstunde am Mittwoch, den 2.3..2005 von 11.25 bis 12.55 Uhr.
Protokollführerin: Corinna Döring            www.musiklk.de/2003/49bartmssc.htm

Thema/Themen der Kursstunde:

Béla Bartók: Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta, erster Satz

Ausgewählte Inhalte:

Zum Komponisten:

Béla Bartók (1881-1945) ist ein ungarischer mit großem Interesse an der vom westlichen Einfluss unberührter Volksmusik seiner Heimat. Bei den Bauern sammelte er auf Reisen erst handschriftlich dann mit dem Phonographen Volkslieder, deren Elemente er später in seiner Musik verarbeitete. So gingen von der ungarischen Volksmusik stärkste Impulse für den Ausdruck und das Wesen seiner eigenen Musik aus, was letztendlich zur Überwindung des Dur-Moll-Systems und der Schaffung von neuen Rhythmen, Melodien und Klangfarben führte. Zugleich machten jene Elemente seine Musik umgänglicher im Vergleich zu anderen Kompositionen dieser Zeit.

Wichtige Werke sind seine Konzerte für Klavier, Violine und Viola sowie Mikrokosmos, ein 6-bändiges Werk für Klavier, das mit seiner progressiven Anordnung Unterrichtszwecken dient. Weiter schrieb er u.a. sechs Streichquartette, die 14 Bagatellen und eine Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta, was im Folgenden analysiert werden soll.

Analyse des ersten Satzes:

Der erste Satz wird hauptsächlich von dem Thema bestimmt, das zu Beginn von erster und zweiter Bratsche vorgestellt wird (Takt1-4/7). Dieses Thema erklingt mindestens einmal in allen Stimmen. Statt mit einem Kanon ist es allerdings eher mit einer Art Fugato zu vergleichen, da die Stimmen auf verschiedenen Tonhöhen einsetzen und die Begleitung nicht gleich bleibt. Der Tonumfang des Themas beschränkt sich dabei auf eine Quinte (a-e), wobei der Tonvorrat chromatisch ist und somit alle in diesem Tonumfang vorkommenden Töne umfasst. Obwohl sich andeutungsweise mit dem Anfangston a das Gefühl für einen Grundton einstellt, lässt sich eine Tonart nicht festlegen

Um das Thema besser beschreiben zu können teilen wir es nun in vier Gruppen auf. Sie sind durch das übersichtliche Notenbild leicht zu erkennen, da sie jeweils durch eine Achtel-Pause getrennt sind. 

    1. Gruppe: Takt1 mit einem Achtel Auftakt bis zur Achtel-Pause

-          aufsteigende Linie vom Ausgangston a

-          → wird nach cis abgebrochen: überraschend weil cis eher eine Tendenz nach oben hat

-          Rückführung in Halbtonschritten zum h

 

    2. Gruppe: Takt2 mit einem Achtel Auftakt bis zur Achtel-Pause

-          Zug bzw. Drängen nach oben stärker als in der ersten Gruppe

-          führt mit großer Zielstrebigkeit zum Höhepunkt es hin, das zu a den Tritonus bildet -> große Spannung

mit a-es wird hier der größte Abstand zwischen Anfangston und höchstem Ton in einer Gruppe beschrieben

-          obwohl diesmal mehr Energie vorhanden ist, wird die Aufwärtsbewegung wieder abgebrochen und die Linie steigt herunter bis zum b

 

    3. Gruppe: Takt3 mit zwei Achteln Auftakt bis zur Achtel-Pause

-          Einsatz auf cis → höheres Niveau

-          kurzer Aufschwung (nur in den zwei Achteln Auftakt)

-          lange Beruhigung nach unten zum h

-          Gesamttendenz ist abwärts gehend

 

    4. Gruppe: Takt4 mit zwei Achteln Auftakt

-          fast gleiche Figur wie Gruppe 3, Beruhigung etwas verlängert durch das Viertel d

-          insgesamt Halbton tiefer als Gruppe 3

-          führt mit Endton b fast zurück zum energetischen Nullpunkt, der das a gewesen wäre

 Bildlich könnte man den Verlauf ungefähr so darstellen:

 

Der zweite Einsatz des Themas erfolgt im Anschluss dann in den 3. und 4. Violinen auf dem Ton e. Schreibt man nun die Tonhöhen der verschieden Einsätze nacheinander auf, so lässt sich eine strenge Gesetzmäßigkeit erkennen. 

 

  1. Einsatz: Takt 1      1.+ 2. Viola → a
  2. Einsatz: Takt 5      3.+ 4. Violine → e
  3. Einsatz: Takt 9      1.+ 2. Violoncello → d
  4. Einsatz: Takt 12    2. Violine → h
  5. Einsatz: Takt 17    1.+ 2. Kontrabass → g
  6. Einsatz: Takt 27    1.+ 2. Violine → fis
  7. Einsatz: Takt 27    1.+2. Violoncello und 1.+ 2. Kontrabass → c
  8. Einsatz: Takt 28    3.+ 4. Violine →cis
  9. Einsatz: Takt 33    1.+ 2. Viola →f
  10. Einsatz: Takt 36    1.+ 2. Viola → gis
  11. Einsatz: Takt 38    1.+ 2. Violoncello und 1.+ 2. Kontrabass → b
  12. Einsatz: Takt 45    1.+ 2. Violine → es

 

Die Einsatzfolge resultiert aus dem Quintenzirkel. Von a ausgehend kommt mit dem e zuerst die Oberquinte, welche durch den Einsatz auf d von der Unterquinte zu a gefolgt wird. h ist dann wieder die Oberquinte zu e und g die Unterquinte zu d usw. 

Man nennt eine Fuge mit einer solchen Einsatzfolge auch Fächerfuge, da die Tonarten sich immer weiter auffächern.

Da das Thema mit seinem Tonumfang die Hälfte des 12-Tonraums erfüllt, umfassen 2 korrespondierende Einsätze (z.B. auf a und e) alle 12 Töne. 

Im Verlauf steigert sich der Satz dann über Engführungen (ab T 27) und Aufspaltungen des Themas in verschiedene Stimmen (ab T 37) bis zum Themeneinsatz auf es (T 45), das zu a den größtmöglichen Abstand hat (Tritonus). Bis zum Takt 56, in dem es nun in allen Stimmen unisono und in den extremsten Lagen gespielt wird, steigert sich die Dynamik bis zum fff und wir sind durch einen konsequenten Aufbau zum Scheitelpunkt des ersten Satzes gelangt, an dem harmonisch die extreme Entfernung zum Ausgangspunkt festzustellen ist. 

Der Rückweg, den Bartók mit Hilfe der Umkehrung des Themas beschreitet, ist dann wesentlich kürzer als der Aufbau. Dies lässt sich mit einem klassischen Drama vergleichen, in dem der Konflikt, der in der Peripetie seinen Wendepunkt gefunden hat, wesentlich schneller gelöst wird, als er sich aufgebaut hat. 

Die erste Umkehrung auf es beginnt also sofort in den Celli und Bässen mit dem Auftakt zu T 57 in die die 3. und 4. Violinen in T 58 einsteigen. Ab Takt 65 ist nur noch das erste Motiv des Themas in der Umkehrung in allen Stimmen zu hören. Ab Takt 78 erklingen dann Thema (4.Vl) und Umkehrung des Themas (1.Vl) zum ersten Mal gleichzeitig, wobei sie von der Celesta in ein ganz spezielles Licht getaucht werden. In Takt 82ff führt Bartók das erste Motiv des Themas in Original und Umkehrung dann in Engführung durch verschiedene Instrumente, was im ppp mündet. Es entsteht eine Korrespondenz zwischen Original und Umkehrung. 

Die letzen drei Takte stehen ganz beispielhaft für den ersten Satz, da sich in ihnen noch einmal seine ganze Entwicklung von Anfang bis zum Ende vollzieht. Das energiereichste zweite Motiv ist nun, abgesehen vom Rhythmus, noch einmal hundertprozentig in Original und Umkehrung gleichzeitig zu hören. Somit kommen in diesen Takten alle 12 Töne noch einmal vor und auch der Aufschwung zum es und der Rückweg werden noch einmal dargestellt. Diesmal dauert der Rückweg aber länger als der Aufbau. Die Notenwerte werden immer länger und stimmen so nicht mehr mit denen des zweiten Motivs überein. Nach diesem auskomponierten rallentando rastet die Schärfe, die sich auf der vorletzten Note in einer großen Sekund zeigt, auf der Prim a ein. 

CDs, Materialien, Bemerkungen:

Partitur: Béla Bartók: Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta (Philharmonia)

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