Leistungskurs Musik 2003/05         am         Celtis-Gymnasium, Schweinfurt
Zusammenfassung ausgewählter Inhalte
der Kursstunde am Montag, den 08.03.2003 von 11.25 bis 12.55 Uhr.
Protokollführerin: Judith Reuß     www.musiklk.de/2003/23adamsfall.htm

Thema/Themen der Kursstunde:

Johann Sebastian Bach: Choralvorspiel
“Durch Adams Fall ist ganz verderbt”, BWV 637
Johann Sebastian Bach: Kreuzstabkantate

Ausgewählte Inhalte:

Das Choralvorspiel ist die meist improvisierte Intonation, die der Organist vor dem Gemeindegesang, dem Choral, spielt; deren Grundlage bildet immer der c.f. des Chorals. 
Das von Johann Sebastian Bach komponierte Choralvorspiel “Durch Adams Fall ist ganz verderbt” ist Thema unserer heutigen Kursstunde. Wir können es im “Orgelbüchlein”, einer überlieferten Sammlung, finden.
Wenn wir zunächst auf den Text eingehen (Meierott/Schmitt: Materialien zur Musikgeschichte 1, S.60) wird klar, was mit “Adams Fall” gemeint ist: Der Sündenfall. Die Schlange verführt Eva im Paradies, indem sie behauptet, von dem Baum dürfe durchaus ein Apfel gegessen werden. Gott habe es ihnen doch nur verboten, weil sie dann so werden würden wie er. Sie können nicht widerstehen und das löst Gottes Zorn auf die Menschen aus; durch Adams (Sünden-) Fall ist die Menschheit geradezu verdammt und muss deshalb bis heute noch Leid erfahren.

Anschließend  beschäftigen wir uns mit dem Notenbild:
Die Oberstimme des vierstimmigen Werkes weist die Melodie des Chorals auf. Auffällig dabei ist, dass sich Bach aber die Freiheit nimmt, den Choral zu verändern. Als Beispiel hierfür finden wir schnell die Durchgangsnote in Takt 5, 2. Notenzeile.

Versuchen wir nun das Notenbild zu deuten, so liegt eine tonmalerische und tonsymbolische Interpretation nahe, da das Fallmotiv immer wieder ins Auge sticht. Zum einen sei dabei die stetige Abwärtslinie zu allen Schlusswendungen (wir definieren diese als alle mit Fermaten gekennzeichneten Stellen: Takt 2, 6, 8, 10) hin erwähnt, die den Fall symbolisch darstellen. Zum anderen stehen dafür auch die in der Bassstimme ständig wiederkehrenden extrem unsanglichen, dissonanten Abwärtssprünge, z.B. Takt 1/2, v 7; Takt 3, kl 7. In der Figurenlehre wird ein solcher Sprung als saltus duriusculus bezeichnet. Diese Sprünge prägen Bachs Choralvorspiel; baut er doch im gesamten Stück nur drei reine Quintsprünge ein (a – d). Besonders hervorgehoben sei zudem die große Septime abwärts (Takt 5) h – c; Üblich wäre nämlich die Auflösung des Leittones h zum c nach oben. Die Auflösung über den Septimsprung nach unten ist demnach eine Regelwidrigkeit, die Bach aber beabsichtigte. Diese kunstvolle Regelwidrigkeit nennt man Katachresis (griech. Missbrauch).

Die stark durchbrochene Melodie im Bass mit ihren vielen Pausen ist eine Tmesis (griech. Einschnitt). Diese Unterbrechungen und Lücken in der Bassstimme bilden gleichzeitig ein absolutes Gegenstück zur streng durchgehenden, nahtlosen Linie des Chorals in der Oberstimme: Antithéton (griech. das Entgegengesetzte).

Betrachtet man die beiden Mittelstimmen, so ist festzustellen, dass sie völlig anders als die Außenstimmen konzipiert sind: beide zusammen können als durchgehende Schlangenlinie ansehen werden. Bilderbuchartig wird die Schlange also abgebildet: Hypotyposis (griech. Abbildung). Auch in den Mittelstimmen ist der saltus duriusculus eine Standardfigur: z.B. in der ersten Notenzeile: g –cis, v.5, Takt 1; f – cis, v.4, Takt 2; d - gis, ü.4, Takt 3; außerdem ist auch der passus duriusculus ein wichtiges Element, z.B. in der ersten Klammer, Takt 4.

Zuletzt sei die Parrhesia (griech. Redefreiheit), der doppelte Querstand, dis – d und fis – f, zwischen der oberen Mittelstimme und dem Bass in der dritten Notenzeile, Takt 11,  erwähnt, welcher dem Text “ganz verderbt” gleichkommt.

Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass der große Meister Bach in diesem Werk viele der eigentlich stets geltenden Kontrapunktregeln, bedingt durch seine tonmalerische und –symbolische Absicht, überschreitet, was aber als keineswegs falsch, sondern als vielmehr genial angesehen werden muss.

 

CDs, Materialien, Bemerkungen:

- Notenbild (pdf) des Choralvorspiels “Durch Adams Fall ist ganz verderbt”
(Mit freundlichem Dank an die Quelle: http://www.sheetmusic4free.com)
- Meierott/Schmitz: Materialien zur Musikgeschichte 1, S. 59 (Werkbesprechung von Arnold Schmitz)

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